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Libe llula 2 0 ( 1 /2 ) : 9 7 -1 0 2 2001
M o o s tie r c h e n u n d Z u c k m ü c k e n a ls E p iz o e n v o n Macromia amphigena
( B ry o z o a : P lu m a te llid a e ; D ip te ra : C h ir o n o m id a e ; O d o n a ta : M a c ro m iid a e )
Hansruedi Wildermuth
eing eg a n ge n: 12. D ezem b er 2000
Summary
M oss a n im a lc u le s a n d no n -b itin g m idg es as ep izoa o f M a c ro m ia a m p h i
g e n a (B ry ozoa: P lu m ate llid ae : D ip tera : C h ironom idae: O do n a ta : M a c r o m ii
d a e) - A small colony o f F red erice lla sp. was found on the left hind leg o f an
exuvia of M . am p h ig en a originating from the Bevd River o f the Novosibirsk
District, Siberia, Russia. The same exuvia bore four cases o f chironomid
larvae, two attached to the mesothorax, one to the femur o f the right hind leg
and one to the 6th abdominal tergite.
Zusammenfassung
Einer Exuvie von M . a m ph ig en a vom Fluss Bevd im Bezirk Novosibirsk,
Sibirien, Russland, hafteten an der linken Hintertibia die vertrockneten Reste
einer kleinen M oostierchen-Kolonie von F rederice lla sp. an. An der gleichen
Exuvie fanden sich auf dem Thorax, am Femur des rechten Hinterbeins und
am 6. Abdominaltergit insgesamt vier Gehäuse von Zuckmückenlarven (Chirono
midae).
Einleitung
Libellenlarven dienen gelegentlich verschiedenen halbsessilen und sessilen
Tieren als Substrat, an das sich diese vorübergehend oder dauernd anheften.
Kommensalen oder Epizoen dieser Art finden sich vorwiegend in Fließge
wässern (Übersicht bei CORBET 1999). Epizoen ohne Hartteile, wie zum Bei
spiel gestielte Ciliaten oder //w /ra-Polypen, lassen sich nur an lebenden Lar
ven nachweisen (Jil e k 1980, Gr a b o w & Ma r t e n s 2000). Bestehen sie auch
aus Hartteilen, wie dies bei der Wandermuschel D re issena p o ly m o rp h a der
Dr. Hansruedi W ildermuth, Haltbergstrasse 43, CH-8630 Rüti
E-Mail: hansruedi@ wildermuth.ch
98 Hansruedi W ildermuth
Fall ist, bleiben jene auch an den Exuvien erhalten. Dadurch ergibt sich die
M öglichkeit, bestimmte Epizoen auch an Exuvien nachzuweisen (vgl. We ih
r a u c h 1999, Weih r a u c h & Bo r c h e r d in g . 2002). Die vertrockneten Reste sind aller
dings in vielen Fällen schwieriger determinierbar als die lebenden Organismen.
Befunde
Beim Studium einer Exuvie von M a cro m ia am p h ig en a fr a e n a ta MARTIN
(syn. M . sib irica Dj a k o n o v ), die 0 . Ko s t e r in am Fluss Bevd im Bezirk
Novosibirsk (Sibirien, RUS) gesammelt hatte, stieß ich unter dem Binokular
zufällig auf die Reste mehrerer Epizoen. An der linken Hintertibia hafteten die
vertrockneten Röhren einer kleinen Moostierchen-Kolonie (Abb. 1A, C, D).
Die chitinösen. dichotom verzweigten W ohnröhren (Zooecien) waren braun,
abgeplattet, teilweise mit Längskielen versehen und von einer Schicht sehr
feiner Sandkörnchen bedeckt, die als solche nur im Mikroskop zu erkennen
waren, ln basalen, teilweise aufgebrochenen Röhrenteilen lagen die dunkel
braunen Schalenreste von zwei sitzenden Statoblasten - den zur Überwinte
rung und Fortpflanzung bestimmten Dauerstadien (Abb. IC).
Am dorsalen Teil des Mesothorax, beidseits des Schlupfspaltes in der Ku-
tikula, hafteten ca. 0.7 mm lange, zylindrisch bis leicht konisch geformte und
schwach gekrümmte Röhren (Abb. 1A, B). Die Köcher waren vom offen, im
Querschnitt je nach Stelle rund bis oval und an der Oberfläche überall gleich
mäßig mit einem Mosaik aus winzigen weißen, hell- und dunkelbraunen Körn
chen bedeckt. Mit dem hinteren, abgeplatteten Teil klebten die Gebilde an der
Exuvie. Eine weitere, geknickte Röhre fand sich am 6. Abdominaltergit und
ein teilweise aufgebrochenes Röhrenstück lag dem Femur des rechten Hinter
beins auf. Die Innenseite dieses Fragments war weiß und glänzte. An anderen
M . a m p lü g e n a -E x m ie n derselben Lokalität ließen sich auf Fotos dieselben
Röhren nachweisen (R. Se id e n b u s c h in litt.). Während die einen der Kutikula
flach auflagen, waren andere nur am Hinterende mit dem Substrat verklebt
und standen mehr oder weniger senkrecht von der Unterlage ab. Eine Aus
richtung in Bezug auf die Körperachse der Libellenlarve ließ sich nicht erken
nen. Im übrigen war die ganze Exuvie mit einer dünnen, teilweise unterbro
chenen Schicht aus getrocknetem Feinschlamm mit wenigen eingelagerten
Sandkörnchen bedeckt.
Diskussion
Da beim Schlupf der Libelle die Epizoen vertrocknen, muss deren Be
stimmung anhand verbliebener Hartteile vorgenommen werden. Beim Moos-
M oostierchen und Zuckmücken auf M a cro m ia -Larven 99
O
A bb.l: Epizoen auf M a c ro m ia a m ph ige na . (A) Exuvie mit Bryozoenkolonie an der
linken Hintertibia und drei Puppenköchem von Chironomiden am Thorax und am 6.
Abdominalsegm ent, (B) Chironomidenröhre. (C) Offenes Röhrenstück aus der
Bryozoenkolonie mit Statoblasten-Fragment, (D) linke Hintertibia von ventral mit
vertrockneter Bryozoenkolonie. S: Statoblastenreste. - Fig. 1: Epizoa on M a c ro m ia
a m ph igen a . Exuvia with Bryozoa colony on left hind tibia and three cases o f
chironomids on the thorax and the 6th abdominal segment, (B) case o f chironomid,
(C) open tube o f Bryozoa colony with statoblast fragment, (D) ventral view o f left
hind tibia with dry Bryozoa colony. S: statoblasts.
100 Hansruedi W ildermuth
tierchen auf der M acrom ia-E xuv 'ie handelt es sich nach den Zooecien- und
Staoblastenmerkmalen zu schließen wahrscheinlich um F rederice lla sp., mög
licherweise um F rederice lla su ltana Blumenbach, eine Bryozoen-Art, die
auch in kalten Gewässern vorkommt. Exkrementreste mit Diatomeen-Schalen
und anderen einzelligen Algen in der Röhrenwand, wie dies We s e n b e r g -
Lu n d (1939) für diese Art beschreibt, konnten allerdings nicht nachgewiesen
werden.
Die vier Köcher stammen höchstwahrscheinlich von Zuckmückenlarven.
Zwar bauen auch Köcherfliegen-Larven (Trichoptera) derartige Gehäuse, die
mit denen von Chironomiden verwechselt werden könnten. Die Röhren auf
der M acrom ia -Exuvie weisen aber einige Merkmale auf, die eher auf Chiro-
nomiden schliessen lassen: Sie sind sehr klein, weich (können knicken oder in
sich zusammenfallen), und bestehen mindestens auf der Innenseite aus organi
schem Material. Nach Größe und Form gleichen die Gehäuse denen von
R h eo ta ny ta rsu s ex iguus, einer Zuckmücke, die als Epizoon bei M a crom ia
g e o rg in a gefunden wurde (Wh it e & Fox 1979). Die Gattung besiedelt auch
Larven von anderen Libellen sowie von Eintagsfliegen, Steinfliegen,
Schlammfliegen. Köcherfliegen und Schnecken (To k e s h i 1993).
Die Schlammbedeckung der M a c r o m ia -E x m ie weist darauf hin, dass sich
die Larve vor der Emergenz in einem stark strömungsberuhigten Bereich mit
sehr feinem Bodensubstrat aufhielt. Für diese Vermutung spricht auch der
Befund, dass die Chironomiden-Röhren im Gegensatz zu den S im u liu m -Pup
pen, die CORBET (1962) an einer Exuvie von Z y g o n y x na ta len sis fand, nicht
ausgerichtet waren. Es ist davon auszugehen, dass sich alle Epizoen an die
M a cro m ia -Larve hefteten, als sich diese im F-O-Stadium befand. Die geringe
Größe der Bryozoenkolonie deutet darauf hin, dass diese noch jung war.
Vermutlich entstand sie aus einer Larve, die sich an der Tibia festsetzte, wäh
rend die M acrom ia -Larve auf dem Schlammgrund saß. Offenbar hält sich M.
a m p h ige na - ähnlich wie M . sp len dens (LEIPELT et al. 2001) - mindestens im
letzten Larvenstadium an stark strömungsberuhigten Stellen auf, wo sie sich
kaum eingräbt. In Bereichen mit Feinsediment stehen stabile Substrate, die
sich für sessile Organismen zum Anheften eignen, höchstens in beschränktem
Maß zur Verfügung (CORBET 1999). Dazu gehören nebst Molluskenschalen
auch die Panzer von Krebsen und Insektenlarven. Für Filtrierer wie die Bryo-
zoen ist der Aufenthalt auf Libellenlarven aber nur dann von Nutzen, wenn
sich diese nicht eingraben. Vermutlich gilt dasselbe auch für die Zuck
mückenlarven. Nach To k e s h i (1993) bringt Kommensalismus den Chirono-
M oostierchen und Zuckmücken auf M acrom ia-Larven 101
miden gleich mehrere Vorteile: bessere Ernährungsmöglichkeiten, erhöhte
Mobilität, geringere Störanfälligkeit und reduziertes Prädationsrisiko.
Meines Wissens ist dies der erste Nachweis von Bryozoen als Epizoen auf
Libellenlarven. Möglicherweise wurde diese Assoziation bisher übersehen, und
es ließen sich weitere Nachweise erbringen, auch von solchen Arten, die keine Röhren
aus festem Material bauen. Diese wären allerdings nur auf lebenden Larven -
und nicht auf Exuvien - zu finden. Chironomiden-Larven verschiedener Gat
tungen wurden hingegen schon mehrfach an Larven einiger außereuropäischer
Libellen festgestellt, nämlich an M ecisto ga ste r (De LA ROSA & Ra m ir e z
1995), C a lo p te ry x (WHITE et al. 1980), A u stroa esch na (HAWKING &
WATSON 1990). B o yeria (WHITE et al. 1980), M a crom ia (WHITE & F ox
1979), Z yg o n yx (Dü DGEON 1989) und Sym pe tru m (ROSENBERG 1972). Bei
systematischer Nachsuche dürften auch in Europa Chironomiden-Larven als
Epizoen auf Libellenlarven nachzuweisen sein.
Dank
Richard Seidenbusch danke ich für die Überlassung der von Oleg Kosterin ge
sammelten Exuvie von M . am plü gen a sowie für Nachforschungen an zusätzlichen
Exemplaren aus seiner Sammlung. Karsten Grabow half bei der N achbestimm ung der
Epizoen und gab fachliche Hinweise. Florian Weihrauch und Klaus Reinhardt trugen
mit Änderungsvorschlägen und Literaturhinweisen wesentlich zur V erbesserung des
ersten M anuskriptentwurfs bei.
Literatur
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